Talentförderung im deutschen Fußball - Dürfen die Mädels mithalten?

Jonathan Krech • Apr. 29, 2021

Die Förderung des Mädchenfußballs in Deutschland ist ausbaufähig.

Foto: Privat

Die Entwicklung ist deutlich zu sehen – in der Bundesliga gibt es immer mehr sehr junge Talente, die früh in die erste Mannschaft eingebunden werden und zum Teil kometenhafte Aufstiege erleben. Man denke hier nur an Alphonso Davies vom FC Bayern München in der Sextuple-Saison 2019/20, Jamal Musiala in dieser Saison an gleicher Wirkungsstätte oder Jude Bellingham von Borussia Dortmund. Diese jungen Spieler werden bereits mit 15 oder 16 Jahren als große Talente entdeckt, zum Teil für Unsummen aus dem Ausland eingekauft und dann sukzessive in die Talentförderung der deutschen Topklubs eingeführt, in der Hoffnung, dass sie eines Tages viel Erfolg und/oder viel Geld auf dem Transfermarkt bringen. In diesem Spiel mit jungen Talenten spielen die Nachwuchsleistungszentren der Vereine eine große Rolle, denn sie bieten einen geschützten Raum, in dem die jungen Wilden sich frei entfalten und auf sehr hohem Niveau trainiert und ausgebildet werden können. Das Einstiegsalter in diese Nachwuchs-Förderprogramme liegt bei den besonders ambitionierten Topklubs inzwischen bei 11 bis 13 Jahren, also in der D-Jugend. Dass die deutschen Klubs im Profibereich ebenso wie der Deutsche Fußball Bund (DFB) auf allen Ebenen von dieser Vorgehensweise profitieren ist offensichtlich, nicht umsonst ist es seit 2003 für alle 36 Klubs der Ersten und Zweiten Bundesliga Lizenzauflage ein Nachwuchsleistungszentrum zu unterhalten. Doch wie ist das mit den Mädels? Schließlich träumen nicht nur kleine Jungs von einer Karriere als Profi, sondern inzwischen auch sehr viele Mädels. Dürfen sie die gleiche Förderung erwarten, die gleichen Vorteile?


Nun, nicht ganz. Denn von den zwölf Vereinen, die aktuell in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga vertreten sind, haben nur 8 ein Nachwuchsleistungszentrum. Insbesondere die kleineren Klubs können sich diesen Luxus einfach nicht leisten. Hier fehlt es durchaus noch an Unterstützung vonseiten des DFB. Allerdings hat sich in diesem Bereich schon viel getan, immerhin gibt es inzwischen auf fast allen Ebenen Ligen für Mädchen. Ob in diesen Leistungszentren, die im Normalfall für den gesamten Verein konzipiert sind, allerdings auch Mädchen spielen und gefördert werden steht auf einem anderen Blatt. Die Förderung nimmt aber immer mehr an Fahrt auf.

Dennoch: Tendenziell gilt, je kleiner und weniger finanzstark ein Klub, desto weniger wird in den Nachwuchs im Frauen- und Mädchenfußball investiert. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

Ein großer Vorreiter auf diesem Gebiet: Die TSG 1899 Hoffenheim. Der Verein hat einen großen Nachwuchsbereich nur für Mädchen, mit vier U-Mannschaften und je einer Mannschaft in der zweiten und ersten Bundesliga zählen sie zu den größten Klubs für Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland. Eine Besonderheit gibt es dennoch, und zwar in der U16 der Jungs: Hier spielt nämlich auch ein Mädchen. Dafina Redzepi ist nicht nur bei den Jungs sehr erfolgreich, sondern auch bei den U-Nationalmannschaft: In der U15 hat sie in neun Spielen bereits neun Tore erzielt. Ganz offensichtlich profitiert sie von ihrem deutlich körperbetonteren Trainingsumfeld.

Es zeigt sich an vielen Stellen: Die Mädels, die anfangs mit Jungs zusammenspielen und sich an die deutlich körperbetontere Spielweise der männlichen Kollegen gewöhnen, profitieren davon oftmals. Trotzdem hat es seinen Sinn, Mädchen und Jungs ab einem gewissen Alter beziehungsweise einer bestimmten körperlichen Entwicklungsstufe getrennt spielen zu lassen, denn die körperlichen Unterschiede werden irgendwann einfach zu groß.

Mit dem FC Bayern hat ein weiterer deutscher Topklub, der inzwischen auch im deutschen Frauenfußball ganz oben angekommen ist und regelmäßig auch international glänzt, 2017 ein starkes Nachwuchsleistungszentrum unweit der Allianz Arena in Betrieb genommen, den FC Bayern Campus. Auf dem rund 30 Hektar großen Gelände sind alle U-Mannschaften der Jungs und Mädchen sowie die erste Mannschaft der Frauen zuhause. Alle (Heim-) Spiele der U17 und U19 finden in der eigens gebauten Spielstätte statt, die anderen Mannschaften müssen auf einem der Trainingsplätze spielen. Nur die Erste Mannschaft der Frauen darf ebenfalls in das kleine Stadion, dass immerhin 2.500 Fans Platz bietet. Und trotzdem ist es für viele sicherlich Ansporn und Last zugleich im Schatten der großen Allianz Arena, die nur drei Kilometer östlich des Campus liegt, zu trainieren und zu spielen. Ganz bestimmt schauen viele zu der imposanten weißen Silhouette auf, den großen Traum irgendwann dort spielen zu dürfen vor Augen. Allerdings nicht nur die Jungs, sondern auch die Mädchen und ganz besonders die Frauen hätten sicher nichts dagegen auch dort auflaufen zu dürfen. Dass die gesamte Nachwuchsabteilung zusammengelegt wurde und so alle voneinander profitieren können, war sicherlich ein guter Schritt für den FC Bayern und seine Spielerinnen und Spieler. Und doch fühlt es sich ein bisschen wie eine großzügige Geste an, wenn "auch die Mädchen- und Frauenmannschaften" diese großartige neue Anlage nutzen dürfen. Und das sollte es ja eigentlich nicht sein.


Was der DFB, die Verbände und Vereine also eindeutig noch lernen können und sollten, ist, dass sowohl Mädchen als auch Jungs davon profitieren können, wenn sie miteinander trainieren, spielen und sich die Spielweise der jeweils anderen abgucken können. Das funktioniert in alle Richtungen. Der deutsche Fußball ist, was Nachwuchsförderung angeht, bei den Jungs schon auf einem sehr hohen Niveau unterwegs. Bei den Mädels ist man auf dem richtigen Weg dorthin. Und wer weiß, bald werden vielleicht auch deutsche Spielerinnen schon in jungen Jahren heiß begehrte Talente sein.

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