Gesellschaftliche und DFB-interne Strukturen: Schaden sie dem Frauenfußball?

Johanna Grimm • Sept. 02, 2021

Was, wenn es gar nicht die Gesellschaft ist, sondern die Strukturen des Fußballgeschäfts?

Vieles läuft falsch im deutschen Fußball. Liegt es am Deutschen Fußball Bund?

©imago/OneFootball

Es wird viel über den Frauenfußball in Deutschland gesprochen. Man könnte sagen, fast so viel wie nie zuvor. Die Profifußballerinnen der Bundesliga-Klubs sind immer häufiger zu sehen und auch deren Sichtbarkeit erhöht sich in den sozialen Medien und anderswo. Aber halblang. Selbst die zu verzeichnende Steigerung an medialer Aufmerksamkeit für den Frauenfußball ist bei Weitem noch nicht dort, wo sie eigentlich sein müsste und, Gott bewahre; auch noch lange nicht dort, wo der Männerfußball ist. Aber trotzdem, etwas Positives hat es ja trotzdem, dass nun auch Spielerinnen, darunter Almuth Schult, auch mal eingeladen werden, um über den Männerfußball zu diskutieren.


Gesellschaftlich wird es wohl nicht viel ausmachen, wenn neben drei Männern und meist einem Moderator noch eine Frau sitzt, die auch ab und zu mal zu Wort kommt. Immerhin gibt es ja noch mehr Männer, die über den Fußball quatschen als wäre es das Wichtigste, wie die deutsche Nationalmannschaft bei der EM 2021 abgeschnitten hat. Aber sind wir hier nicht zu unfair der Gesellschaft gegenüber?

Wir meckern, als wäre sie der größte Übeltäter schlechthin. „Die Gesellschaft ist noch so weit für den Frauenfußball.“, „Die Gesellschaft ist noch nicht bereit dafür.“ „Die Gesellschaft, die Gesellschaft…“. Aber was, wenn es inzwischen gar nicht mehr die Gesellschaft ist, sondern die Strukturen des Sports und gerade des deutschen Fußballs, die den stockenden Prozess des Frauenfußballs nicht in die Gänge kommen lassen?

Dazu sei erstmal vorweggenommen, dass es selbstverständlich weiterhin ein paar, nun ja wie sollen wir es nett ausdrücken, Betonköpfe gibt, die den Frauenfußball nicht als Chance oder Sport ansehen, sondern sich in ihrer (meist) Männlichkeit angegriffen fühlen, als wäre es das Schlimmste, wenn auch Frauen dem geliebten Sport nachgehen. Aber dennoch, ein Großteil der Gesellschaft ist den Schritt mitgegangen. Dabei handelt es sich um einen Schritt, der nicht offensichtlich ist. Es ist kein Schritt, der einer Deklaration „Ich akzeptiere den Frauenfußball“ gleichkommt. Nein, es ist ein Schritt, der über Jahre hinweg den Frauenfußball zu einer normalen Sache gemacht hat. Was eigentlich schon wieder traurig ist, denn was sollte denn daran nicht „normal“ sein? Also, wir sind an einem Punkt angelangt, bei dem es gesellschaftlich betrachtet gar nicht mehr um die reine Akzeptanz des Frauenfußballs geht, sondern an einem allgemeinen Interesse, bei dem der Frauenfußball als Frauenfußball angesehen wird. Wo der Frauenfußball mal nicht Objekt für Diskussionen ist, sondern einfach als Sport, der begeistern und vereinen kann.


Nun, nach dieser Analyse müssen wir uns die Frage stellen, woran es denn dann liegt, wenn nicht an der Gesellschaft?

Die Antwort müsste wohl etwas länger ausfallen, denn es gibt sicherlich nicht nur den einen entscheidenden Punkt, an dem es liegt. Aber ein Erklärungsansatz wären die Strukturen, die innerhalb des deutschen Fußballgeschäfts herrschen.

Seit Jahren wird der Deutsche Fußball Bund, der weltweit größte nationale Sportverband der Welt, von Männern geführt. Eine DFB-Präsidentin? Meilenweit entfernt und Utopie, wie es scheint. Und „geführt“ ist hier auch sehr nett ausgedrückt. Denn es kriselt enorm beim DFB. Denn schon lange ist es nicht der Sport, der im Vordergrund steht. Nein, es sind die Kommerzialisierung und die internen Machtspielchen. Das hat selbstverständlich nicht nur Einfluss auf den deutschen Frauenfußball. Alle sind davon betroffen, leider. Aber auf den Frauenfußball hat es dennoch einen sehr großen Einfluss. Denn Männer, die an der Spitze stehen, kümmern sich, mit Verlaub, nun mal ausschließlich um die Männer. Jede Frau wäre da eine Gefahr für die eigene Position. Und das will wohl niemand.

Katja Kraus, ehemalige National-Torhüterin und erste Frau im Vorstand eines Bundesligavereins, dem Hamburger SV, hat es im Interview mit VOGUE ganz gut zusammengefasst:

"Der Fußball lebt von seiner Vielfalt, auf dem Platz und bei den Menschen, die ihn lieben.

Die Funktionäre in den Entscheidungsgremien sind eine homogene Gruppe von Männern."

 

Katja Kraus bei VOGUE

https://www.vogue.de/lifestyle/artikel/katja-kraus-business-interview-frauen-im-fussball

Katja Kraus im aktuellen Sportstudio.

Weiter führt die Gründerin von Jung von Matt SPORTS aus, dass nicht primär das Problem die Männer auf den Posten sind. Nein, es sind vor allem die falschen Männer auf den richtigen Positionen. Denn sie brechen die bestehenden hetero-normativen und veralteten Strukturen schlichtweg nicht auf. Das liegt nicht primär daran, dass sie Männer sind, sondern einfach daran, welchen Stellenwert sie dem Frauenfußball und allgemein dem Fußball als Sportart zuschreiben. Und dieser ist leider sehr gering.

„Den Entscheidungsträgern ist die Sensibilität für die Menschen und ihre Anliegen, für ihre Lebensweise verloren gegangen. Es gibt eine viel zu geringe Offenheit für Entwicklungen, die anderorts längst außer Frage stehen.“

 

Katja Kraus bei VOGUE

https://www.vogue.de/lifestyle/artikel/katja-kraus-business-interview-frauen-im-fussball

Die ehemalige Fußballspielerin geht noch einen Schritt weiter. Kraus sieht das Problem in der stetig unveränderten Führung der Männer. Dadurch gebe es „keine Disruption, kein Veränderungsdruck, keine Geschwindigkeit“.

In diesen starren, sich nicht weiterentwickelnden Strukturen liegt wohl eine der Ursachen für den unterförderten und nicht-genug repräsentierten deutschen Frauenfußball. Nun ist es schlichtweg so, dass das Argument „es gibt halt zu wenige Frauen, die es machen wollen“, völliger Unsinn ist. Katja Kraus belegt dies mit Zahlen. Auf zwei ausgeschriebene Stellen in der Deutschen Fußball Liga (DFL) bewarben sich insgesamt 32 Frauen. Es gibt sie also. Es ist also nicht der Mangel an Frauen für bestimmte Führungspositionen, sondern der Mangel der Akzeptanz von Seiten der Männer, die diese Positionen kontrollieren und stetig unverändert beibehalten wollen.

Doch wo ist das Problem? Offen zugeben wird es wohl keiner, wenn man ihn direkt darauf anspricht, dass er sich und seine Führungsposition durch eine Frau in Gefahr sieht.

Doch die Zeit ist reif. Denn der Druck von außen, vor allem von der Gesellschaft, wird immer größer, dass auch mehr Frauen in den Führungspositionen der Verbände, Vereine und anderen Einrichtungen sitzen und mitgestalten. Denn durch mehr Frauen und mehr Diversität im Fußballgeschäft entwickelt sich nicht nur der Frauenfußball weiter, sondern der ganze deutsche Fußball. Es entsteht Dynamik, Entwicklung, Innovation. Doch vor allem entsteht wieder mehr Freude und Begeisterung für den Sport, was sich viele Fans sehnlichst wünschen.

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